Auf den Spuren des Nationalsozialismus in Lohr am Main

 

Projekt der Rover der Deutschen Pfadfinderschaft Lohr-Sendelbach

im Rahmen des Wettbewerbs des BDKJ-Bayern "Jugendliche von heute sichern Spuren von gestern" 1988

 

Januar 1988 

Die Recherchen beginnen. Suche nach Zeitzeugen. Gespräche mit ehemaligen Pfarrern. Einer von ihnen lebt im Seniorenheim neben dem Gestapo-Mann, der 1933 den ersten Priester Bayerns in Schutzhaft brachte. Dokumente tauchen auf. Die Stadtverwaltung Lohr sagt die Stadthalle für die geplante Ausstellung im Sommer zu. Lange Recherchen im Staatsarchiv in Würzburg. Gestapo-Akten. Briefe eines Kapuziners an Hitler, der Mitbrüder wegen 'Feindsenderhören' denunzierte. Nach und nach kommt viel Material zusammen, auch von Lohrern, die manches in ihren Kellern wiederfinden. Arbeit an den Abteilungen der Ausstellung: Katholischer Widerstand, Denunziationen, Juden-Schicksale, Szenen aus dem RAD-Lager, Original-Dokumente werden geschwärzt, die 'Reichskristallnacht', Hakenkreuze? Gespräche mit dem Staatsschutz, der Kripo und der Kommune.

 

30. Juni

Die Ausstellung steht. viel Prominenz bei der Eröffnungsfeier.

 


Der Lohrer Bürgermeister spricht - die Rover - der Dekan - verspätet der Pfarrer von Sendelbach - gerade aus der DDR gekommen erzählt vom totalitären Staat - das Quartett spielt das Horst-Wessel-Lied - ein Gast hat den Hinweis überhört und klatscht - dann Haydn - das Kaiserquartett - die Nationalhymne - die Ausstellung ist eröffnet

 

Der BR sendet live ein Interview mit den Rovern. Staunende, betroffene Gesichter. Mehr als 1000 Besucher kommen. Schulklassen. Ältere. Einer bietet Plakate des BDM an, "Mein Kampf", Original-Musik der Zeit, Seinen SA-Dolch, Mutterkreuze, Eiserne Kreuze. Alles für die Gesicherte Vitrine. Einer zeigt sein SS-Zeichen auf dem Oberarm. Einer anderer bringt den "Schutzhaftbefehl" gegen einen bekannten Lohrer Politiker. Einer kommt mit einem vergilbten Zettel: "Falls ich hier irgendwo auftauche - lest erst das!". Er taucht an der Spitze eines SA-Zuges durch Lohr auf, der Ortslehrer. Der Zettel ist sein Persilschein. In der Vitrine auch die originalen Hirtenbriefe des Würzburger Bischofs von damals und einer von Kardinal Graf von Galen - damals versteckt im Tabernakel der Sendelbacher Kirche.

LOHRER ZEITUNG vom 7. Juli 1933 :

Der BDKJ-Wettbewerb endet. In München kommt die Jury zusammen:

das letzte lebende Mitglied der 'Weißen Rose' Dr. Marie Luise Schultze-Jahn,

Prof. Dr. Roman Bleistein SJ, Dr. Bernhard Schloßig, Dr. Peter Steinbach,

Professor Dr. Dr. Klaus Wittstadt

Die Sendelbacher Rover sind im November 1988 zum Festakt in der

Universitätskirche München eingeladen. Aus der Hand von Weihbischof Franz

Xaver Schwarzenböck erhalten sie Geschenke und werden mit der

Rupert-Mayer-Medaille für ihre Arbeit ausgezeichnet.

Prof. Bleistein SJ in seiner Ansprache:

"Christen sollten nicht erst dort widerstehen und aufbegehren, wo es

um sie selbst, um ihre Kirche und um ihren Glauben geht. Sie sollten ihre

Stimmen erheben, wenn der Mensch und seine Rechte in Gefahr sind."

Im Mai 1989 erhalten die Pfadfinder Post vom Bundespräsidialamt in Bonn.

Bundespräsident Richard von Weizäcker lädt sie ein in die Villa Hammerschmidt zum Jugendtreffen am 9. Juni 1989.

 

Literatur:

Behr, Rainer (1989). Auf Spurensuche in Lohr.

In: Neupert, Jutta (Hrsg.). Vom Ducken und Aufrechtgehen.

Ein Lesebuch über Christen im Dritten Reich. 1989 Verlag Friedrich Pustet, Regensburg